Warum schmeckt Tomatensaft im Flugzeug besser?

Die wenigsten Menschen würden beim Einkauf im Supermarkt wohl anstelle von Cola, Bier oder Orangensaft den roten Tomatensaft wählen. Im Flugzeug sieht das schon ganz anders aus. So schenkt die Lufthansa jährlich etwa 1,7 Millionen Liter des Getränks aus – Tendenz steigend. Doch woran liegt es, dass Fluggäste, die in ihrem Alltag wohl nur selten dieses Getränk konsumieren würden, zu Tomatensaft im Flugzeug greifen?

Die Gründe warum Tomatensaft im Flugzeug besser schmeckt

Wie der Luftdruck die Geschmacksnerven beeinflusst

Die Lufthansa hat sich ebenfalls die Frage gestellt, warum Tomatensaft im Flugzeug so viel häufiger konsumiert wird als auf der Erde. So beauftragte der Konzern das Fraunhofer-Institut, eine Testreihe durchzuführen, die klärt, warum in Flugzeugen so oft Tomatensaft bestellt wird. Daraufhin wurden 100 Probanden befragt, wie sie den Geschmack unterschiedlicher Speisen und Getränke bewerten würden. Dies erfolgte zunächst am Boden und später dann in einer Niedrigdruckkammer, in der die Bedingungen ganz ähnlich derer in einer Flugzeugkabine in etwa 10.000 Metern Höhe waren.

Während die Probanden den Tomatensaft bei Normaldruck – also auf dem Erdboden – als muffig beschrieben und ihn deshalb eher schlechter bewerteten, waren die Bewertungen bei Niederdruck deutlich besser. Den Angaben nach kam nun ein angenehm fruchtiger Geruch zum Vorschein, während die Eindrücke im Geschmackstest vor allem von süßen und kühlenden Nuancen geprägt waren.

Geschwächte Wahrnehmung von Gewürzen

Auch die Luftfeuchtigkeit in einem Flugzeug könnte das „Tomatensaft-Phänomen“ erklären. Immerhin liegt die Luftfeuchtigkeit in der Flugzeugkabine bei etwa 10 Prozent. Vergleicht man diesen Wert mit den trockensten Gebieten auf der Erde, etwa mit der Sahara, die ganze 25 Prozent Luftfeuchtigkeit aufweist, wird klar, dass dieser Wert tatsächlich sehr niedrig ist. Die Folge dieser niedrigen Feuchtigkeit ist eine veränderte Speichelbildung. Sie verursacht einen leicht salzigen Geschmack im Mund und bedingt eine geschwächte Wahrnehmung von Salz, Zucker und Kräutern.

Dies fiel auch im Zuge der Testreihe des Fraunhofer-Instituts auf. Die Probanden beschrieben all die Speisen und Getränke, die sie in der Niedrigdruckkammer zu sich nahmen als fade. Laut den Wissenschaftlern liege dies nicht nur an der Luftfeuchtigkeit, sondern auch daran, dass die Geschmacks- und Geruchsschwelle bei Niedrigdruck deutlich höher liege als bei Normaldruck. Das trifft insbesondere auf den Geschmack von Gewürzen sowie Salz und Zucker zu. Sie würden – anders als Säuren – deutlich schwächer wahrgenommen werden.

Viele Probanden verglichen das Geschmackserlebnis in der Niedrigdruckkammer mit der gedämpften Geschmackswahrnehmung bei einem Schnupfen. Dies ist somit auch die Erklärung dafür, dass viele Flugpassagiere ihren Tomatensaft im Flugzeug vor dem Trinken noch einmal nachwürzen.

Noch ein Grund: Nachahmung

Volker Scheible, der Produktleiter für Bordservice und Lounges bei der Lufthansa, glaubt an einen weiteren Grund für den vermehrten Konsum von Tomatensaft im Flugzeug. Er spricht von einem „Nachahmer-Effekt„. So würden Fluggäste durch die Bestellung anderer Gäste ebenfalls auf die Idee kommen, Tomatensaft zu trinken. Darüber hinaus wäre Tomatensaft sehr nahrhaft und könne eine kleine Mahlzeit mehr oder weniger ersetzen.

Fazit

Geschmäcker sind bekanntlich unterschiedlich. Gerade deshalb ist es für die Fluggesellschaften und für Wissenschaftler so interessant, dass überdurchschnittlich viele Menschen Tomatensaft im Flugzeug trinken möchten. Die Erklärung dafür liegt laut Fraunhofer-Institut vor allem im veränderten Luftdruck, der die Geschmacksnerven beeinflusst.

Ein weiterer Aspekt ist die Luftfeuchtigkeit, die im Flugzeug doch deutlich geringer ist als auf der Erde und sich unter anderem auch auf die Wahrnehmung von süß und salzig auswirkt. In einigen Fällen lässt sich der Verzehr von Tomatensaft im Flugzeug sehr wahrscheinlich aber auch auf die einfache Nachahmung anderer Gäste zurückführen.

Mindestens genauso interessant: Unser Artikel zum Thema Warum können Flugzeuge fliegen?

Über den Autor
Autor Karl Wintermann

Karl berichtet als Redakteur bei warum-wieso.de über die verschiedensten Phänomene des Alltags. Neben dem Schreiben liebt er Kaffee und Schokolade.