Deutschland – Land der Dichter und Denker und Versicherungen? Tatsächlich gilt Deutschland als das erste Land der Welt, welches das soziale Krankenversicherungssystem einführte. Am 15. Juni 1883 verabschiedete der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck das sogenannte Krankenversicherungsgesetz (KVG) und setzte damit einen wichtigen Grundstein für die Entstehung der heutigen Versicherungslandschaft in der Bundesrepublik. Doch wie kam es überhaupt dazu und warum herrscht in Deutschland Versicherungspflicht, wohingegen dies in anderen Ländern undenkbar scheint? Werfen wir einen gemeinsamen Blick auf die Gründe für diese Entwicklung.
Politische Bedeutung des Krankenversicherungsgesetzes
Bismarck handelte damals nicht ausschließlich im Sinne der Arbeiter, denen die neue Sozialversicherung zugutekommen sollte. Stattdessen verfolgte er das Ziel, soziale Unruhen einzudämmen und den monarchisch-autoritären Obrigkeitsstaat auf diese Weise zu stärken. Was einst als Mittel gedacht war, die Sozialdemokratie zu schwächen, ist hierzulande zum essentiellen Bestandteil ebendieser geworden.
Und doch betraf das damalige „Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“ nur jene Arbeiter, die ein Jahresgehalt von 2.000 Mark oder weniger erhielten. Auch waren die Beteiligungsverhältnisse von 2/3 Arbeitnehmeranteil und 1/3 Arbeitgeberanteil nicht gerade fair. Erst mit der Zeit wurde die Zahl der Versicherten erhöht, indem nun auch Bürger mit einem höheren Einkommen sozialversicherungspflichtig wurden.
Aufteilung in private und gesetzliche Krankenversicherung
Nichtdestotrotz wichen Wohlhabendere gern auf private Krankenversicherungen aus, um der Beitragsstaffelung nach Einkommen zu entgehen und stattdessen Beiträge zu leisten, die sich an ihrem Gesundheitszustand orientierten. Auch Beamte, Geistliche und Selbstständige konnten nicht in die KVG aufgenommen werden, weshalb diese Gruppen mehr oder weniger dazu gezwungen waren, auf Alternativen privatwirtschaftlicher Basis zurückzugreifen. Um auch hier nicht machtlos zu sein, verabschiedete der Staatsapparat 1901 das „Reichsgesetz über die privaten Versicherungsunternehmungen“. Dies war wiederum die Geburt des bis heute fortwährenden, dualen Systems auf gesetzlicher und privater Krankenversicherung.
Einführung der Versicherungspflicht in Deutschland
Wir haben an dieser Stelle aber noch immer nicht geklärt, warum heute in Deutschland Versicherungspflicht herrscht – immerhin war hiervon noch nirgendwo die Rede. Dazu kam es auch erst mit der Verabschiedung der Gesundheitsreform 2007. Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) wurde zum 1. April 2007 eine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung für Personen eingeführt, die grundsätzlich keinen anderen Anspruch auf eine Absicherung im Krankheitsfall hätten.
Ausgenommen hiervon sind also diejenigen, die Beihilfe beziehen, Heilfürsorge empfangen, privat krankenversichert sind oder anderweitig zu einer nicht versicherungspflichtigen Personengruppe gehören (zum Beispiel Selbstständige).
Durch das Wettbewerbsstärkungsgesetz allein, galt demnach noch keine allgemein gültige Versicherungspflicht in Deutschland. Das hatte zur Folge, dass Gutverdienende (Selbstständige) sich teilweise absichtlich nicht versicherten, das Krankheitsrisiko selbst trugen und die Kosten für eine Krankenversicherung einsparten. Ändern sollte sich das mit der Einführung der sogenannten „Allgemeinen Krankenversicherungspflicht“.
Die Allgemeine Krankenversicherungspflicht, wie sie heute gilt, ist tatsächlich erst am 1. Januar 2009 in Kraft getreten. Sie ist genau im Versicherungsvertragsgesetz (kurz VVG) geregelt und besagt, dass sich alle Personen mit einem festen Wohnsitz in Deutschland bei einem Krankenversicherer gegen Krankheitskosten versichern müssen, der wiederum auch in Deutschland zugelassen ist.
Während die Versicherungspflicht zuvor also nur für bestimmte Personengruppen galt und sich auf die gesetzlichen Krankenkassen bezog, schuf man mit der allgemeinen Krankenversicherungspflicht nun auch die Versicherungspflicht für diejenigen, die vorher keiner unterlagen (so zum Beispiel auch die bis dahin nicht versicherten Gutverdiener).
Freiwillige Versicherungen in Deutschland
Die deutsche Versicherungslandschaft zählt wohl zweifelsfrei zu einer der komplexesten weltweit. Rundum gesetzliche und private Krankenversicherungen existieren allein im Gesundheitssektor unzählige weitere, freiwillige Versicherungsmöglichkeiten, mit denen sich Bürger für die verschiedensten Fälle absichern können. Wie aus einem aktuellen Artikel von Forschung und Wissen hervorgeht, boomt die Versicherungsbranche aktuell mehr denn je.
So soll beinahe jeder zweite (48%) über 18-jährige private Zusatzversicherungen abgeschlossen haben. Diese reichen von Zahnzusatzversicherungen über Auslandskrankenversicherungen bis hin zu Zusatzversicherungen, die die Behandlung durch einen Chefarzt im Krankenhaus sicherstellen sollen.
Die Kritikerstimmen werden in der Folge immer lauter. Das verwundert kaum, da einige der angebotenen Policen regelrecht unverschämte Konditionen bei einer hohen Selbstbeteiligung des Versicherten im Schadensfall beinhalten. Letzten Endes bleibt es aber jedem selbst überlassen, wem er sein Geld anvertraut und für welche Schadensfälle er sich absichert. Die gesetzlich verankerte Versicherungspflicht zur Krankversicherung zumindest sollte eine solide Grundsicherung für jeden Bürger darstellen.