Sie sind klein, pummelig und scheinen viel zu massig, um ihren Körper in die Lüfte zu bewegen. Auch die lateinische Gattungsbezeichnung „Bombus“ spricht für sich. Doch niemand hat der Hummel je gesagt, dass sie nicht fliegen können soll – und so tut sie es trotzdem. Doch warum eigentlich können Hummeln fliegen, wo sie doch mit jedem Flügelschlag den physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Aerodynamik zu trotzen scheinen?
Gemeinsam mit den Honigbienen zählen Hummeln sicher zu den beliebtesten und zeitgleich auch wichtigsten Insekten, die in unserer Natur herumschwirren. Die Hummelart, die in unseren Breitengraden am meisten verbreitet ist, ist die sogenannte Dunkle Erdhummel (lat. Bombus terrestris). Wie auch die Honigbiene gilt die Erdhummel als Bestäuber. Das heißt, dass sie auf ihrer Suche nach Nektar allerhand Pflanzen bestäubt, indem sie deren Pollen von Blüte zu Blüte transportiert.
Was viele nicht wissen: Hummeln schaffen es im selben Zeitraum drei bis fünfmal so viele Blüten zu besuchen wie Honigbienen – und das trotz ihres viel höheren Körpergewichts. Wie es den wohlgeformten Brummern gelingt, so flink durch die Lüfte zu fliegen, war Wissenschaftlern lange Zeit ein Rätsel. Der unerklärliche Hummelflug war die Geburt des sogenannten „Hummel-Paradoxon“.
Das Hummel-Paradoxon: der Aerodynamik zu Trotze
Die Aerodynamik sagte lange Zeit: die Hummel kann nicht fliegen. Entgegen der bekannten Gesetzmäßigkeiten rund um das Thema Flugkörper tut sie es dennoch. „Hummeln fliegen – denn sie wissen nichts von irgendwelchen Gesetzen.“ – so ähnlich lautete viele Jahre ein Witz unter Studenten. Scherzhaft übernahm sogar ein französischer Insektenforscher namens Antoine Magnan diese Behauptung in seinem Buch „Le Vol des Insectes“.
Dabei beruhte das Gerücht, welches ursprünglich von der Presse verbreitet wurde, auf der Annahme, die Hummel würde ihren Auftrieb auf dieselbe Weise wie ein Flugzeug erzeugen. Zieht man die dafür vorhandenen aerodynamischen Berechnungen heran, wäre es tatsächlich nicht möglich, dass eine Hummel mit einem Durchschnittsgewicht von 1,2g und einer Flügelfläche von 0,7cm² fliegt.
Doch da die Flügelschläge der Hummeln wohl kaum mit den steifen Tragflächen eines Flugzeugs vergleichbar sind, gelten auch für den Körper, der vermeintlich zu schwer und rund zum Fliegen sei, andere Regeln.
Auftrieb durch Luftwirbel
Das Paradoxon rund um die anscheinende Flugunfähigkeit des kleinen Insekts wurde aufgeklärt, indem die falsche Annahme widerlegt wurde. Die Hummel besitzt ein Flügelpaar, welches sich je nach benötigtem Auftrieb über eine Art Gelenk kippen und bewegen lässt. Aus den Bewegungsabläufen der Flügel entsteht ein Luftwirbel, der das Insekt trotz seines hohen Körpergewichts in die Lüfte steigen lässt.
Dass die Hummeln fliegen können verdanken sie zudem der Tatsache, dass ihre geringe Größe für ein anderes Verhalten des Strömungsfelds um ihre Flügel sorgt. Der Hummelflug unterscheidet sich vom Flugverhalten vieler anderer Tiere. Vögel zum Beispiel nutzen ihre Flügel großteils tatsächlich wie ein Flugzeug seine Tragflächen und lassen sich – anders als die kugelrunden Insekten der Gattung Bombus – in der Strömung tragen.
Zahlreiche Beobachtungen zur Auflösung des Hummel-Paradoxon zeigten, dass die kleinen Insekten ihre Flügel bis zu 200 mal in der Sekunde schlagen, um genug Wirbel zum Abheben zu erzeugen. Statt einem starren Auf und Ab rotieren die Tierchen ihre Flügel für jeden einzelnen Flügelschlag kreisförmig umher, was ihnen den nötigen aerodynamischen Auftrieb verleiht. Im übertragenen Sinn findet sich ein solches Prinzip auch bei den Rotoren von Hubschraubern wieder.
Hummelflügel – ein Wunderwerk der Natur?
Damit das kleine pummelige Insekt sich in die Lüfte erheben kann, hat sich Mutter Natur etwas Besonderes einfallen lassen. Das Geheimnis liegt im Flügelmaterial. Es besteht aus dem äußerst elastischen und biegsamen Protein Resilin. Dieses Material lässt sich auf die dreifache Länge dehnen ohne zu reißen. Dadurch können Hummeln beim Fliegen eine relativ große Luftmasse im Wirbel bewegen.
Neben dem elastischen Material des Flügels entdeckten Forscher im Jahr 2012 noch eine weitere Besonderheit des Hummelflügels. Ein Gelenk aus Resilin, mittig des Flügels angelegt, welches sich abknicken lässt. Durch dieses Gelenk kann sich die Hummel eine steuerbare Knick-Funktion zunutze machen, die es ihr ermöglicht, nicht nur sich selbst, sondern auch weiteres Gewicht ohne Probleme in der Luft zu halten.
Wird das Knick-Gelenk manuell an seiner Funktion gehindert, ist der Flug des Insekts noch immer möglich. Jedoch wird die zusätzliche Traglast des Nektar- und Pollensammlers dann um über 8,5 % eingeschränkt.
60 Jahre Hummelflug entgegen der Theorie
Hummeln fliegen – der Aerodynamik zum Trotze. Und es dauerte tatsächlich von 1930 bis zum Jahr 1990 bis Forscher den stichfesten und faktischen Beweis dafür hatten, dass die Hummel keines Wegs den Gesetzen der Flugtechnik widerstrebt. So sieht das kleine Insekt mit dem zu massigen Körper der Biene in keinem Punkt nach und ist ein mindestens genauso faszinierendes Geschöpf, dass die Wissenschaft wirklich lange in Atem hielt.